
Als Reisen noch ein Wagnis war
Weltreport – Artikel vom 28. März 1985 – (Autor Baldur Graf)
Thuringia intern Ausgabe 3/4 – 85
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Genau 150 Jahre sind seit Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecke in Deutschland vergangen. Bis in diese Zeit reichen auch die Anfänge der Reise-Unfallversicherung zurück. Die von der Benutzung der Eisenbahn befürchteten „Unfallgefahren für Leib und Seele derer, die sich mit Windeseile von der neu entdeckten übermenschlich brausenden Gewalt des Dampfes über Höhen und Tiefen auf schmalen schwindelnden Wegen dahinführen ließen“ veranlaßten 1843 einen Berliner Bankier, der zugleich Verwaltungsratsmitglied einer Eisenbahngesellschaft war, eine Versicherungsgesellschaft für Unfälle im Eisenbahnverkehr zu gründen. Aber die preußische Regierung war mißtrauisch: Durch eine solche Versicherung könne die Sicherheit der Reisenden vermindert werden, weil sie die Fahrlässigkeit im Eisenbahndienst begünstige. Auch wollte man Passagiere vor Leichtsinn bewahren. Das Projekt wurde schließlich verworfen, weil durch einen Versicherungsaufschlag auf die Fahrkarten eine Zwangsversicherung begründet würde, die von Staats wegen abzulehnen sei. Eine an sich begrüßenswerte einstellung des Staates
Zehn Jahre später jedoch (1853) wurde von König Friedrich Wilhelm die Bestätigungsurkunden für die Thuringia, die Victoria und die Colonia Leben unterschrieben, die allesamt eine Eisenbahn-Passagier-Versicherung anboten. Die Police wurde damals als Zeit-Versicherung für einige Monate bis zu einem Jahr oder als Tour-Versicherung angeboten. Diese kostete für einen Tag einen Silbergroschen bei einer Versicherungssumme von 2.000 Talern in der III. und IV. Klasse. In der I. Klasse wurden bis zu 6.000 Taler versichert. Um 1890 boten verschiedene Gesellschaften sogar Reise-Policen aus Automaten an. Auf dem Hauptbahnhof in Frankfurt am Main standen vier solcher Apparate, die gegen Einwurf von einem Groschen eine Police ausgaben.
Jahresverträge boten nicht nur finanziellen Schutz gegen die Risiken einer Eisenbahn- oder Dampferfahrt, auch gegen Unfälle mit einer Postkutsche. Einige Gesellschaften weiteten die Deckung auch auf „Reitthiere“ und auf gewöhnliche Droschkenfahrten aus.
